Infografik
Alarm im Körper
So reagiert der Organismus bei Angst
Gehirn
Angst entsteht im Kopf. Als Schaltzentrale im Gehirn fungiert dabei die sogenannte Amygdala. Sie wird wegen ihrer Form auch Mandelkern genannt und ist für die emotionale Bewertung von Situationen verantwortlich.
Wenn wir zum Beispiel bei einem Spaziergang auf eine Schlange treffen, nehmen wir den Sinnesreiz über die Augen auf. Ohne dass wir Zeit zum Nachdenken haben, erhält die Amygdala Informationen darüber, dass wir uns in Gefahr befinden könnten und schlägt Alarm. Ehe wir uns bewusst sind, was eigentlich passiert, reagieren wir schon mit unseren Schutzreflexen, schließen schnell die Augenlider und nehmen eine Abwehrhaltung ein. Bereits diese erste unwillkürliche Reaktion kann uns das Leben retten.
Erst kurze Zeit später gelangen die Informationen zur Hirnrinde und zum Hippocampus, einer Struktur im Gehirn, die für das Gedächtnis eine wichtige Rolle spielt. Erst jetzt wird uns durch einen Abgleich mit unseren Gedächtnisinhalten bewusst, dass es sich um eine Schlange handelt und dass Schlangen gefährlich sein können. Hatten wir in unserem Leben schon besonders negative Erlebnisse mit diesen Tieren, wird die Reaktion entsprechend stärker ausfallen.
Wenn das Großhirn nach Abwägung aller Informationen zu dem Schluss kommt, dass wirklich Gefahr besteht und es sich bei der Schlange nicht etwa um einen Stock handelt, gibt es nur zwei Optionen: „Fight or Flight“ – Kampf oder Flucht. In beiden Fällen ist eine sogenannte Stressreaktion nötig, für die der Körper schnell große Mengen an Energie bereitgestellt muss.
Wieder kommt die Schaltzentrale der Angst, die Amygdala, ins Spiel. In einem ersten Schritt aktiviert sie über weitere Stationen das sympathische Nervensystem, einen Nervenstrang, der entlang der Wirbelsäule verläuft und alle wichtigen Organe versorgt.
Außerdem sorgt die Amygdala dafür, dass die Hirnanhangdrüse Botenstoffe ins Blut abgibt, die ihre Wirkung an den Nebennieren entfalten.
Nebennieren
Die beiden Nebennieren sind kleine, aber sehr wichtige Organe. Sie sitzen wie Hütchen auf den Nieren und gliedern sich in Rinde und Mark.
Das Nebennierenmark gehört im Gegensatz zur Rinde zum sympathischen Nervensystem und wird blitzschnell durch Nervenimpulse vom Gehirn aus angesteuert. Bei Angst werden hier die Hormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet.
Die Nebennierenrinde produziert mehr als 40 verschiedene Botenstoffe. Bei Angst bildet sie vor allem Kortisol, das auch als Stresshormon des Körpers gilt. Die Nebennierenrinde wird nicht durch Nervenimpulse angesteuert, sondern durch Botenstoffe aus der Hirnanhangdrüse. Deren Transport im Blutstrom benötigt mehr Zeit als die Weiterleitung über Nervenbahnen, jedoch hält die Wirkung des Kortisols auch wesentlich länger an als die des Adrenalins.
Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol sorgen dafür, dass der Körper optimal mit der Gefahrensituation umgehen kann. Die eingeleiteten Reaktionen haben allesamt das Ziel, entweder schnell fliehen oder die Gefahr direkt bekämpfen zu können. Diese als Stressreaktion bekannte Kaskade betrifft viele Organsysteme im Körper.
Herz-Kreislauf-System
Das Herz arbeitet schneller und kräftiger. Dadurch wird in kurzer Zeit mehr Blut in den Organismus gepumpt. Es schlägt uns sprichwörtlich „bis zum Hals“. Die Blutgefäße von Gehirn und Muskeln werden weit gestellt, damit die Organe besser durchblutet werden und mehr Leistung bereitstellen können.
Gleichzeitig werden die Blutgefäße des Verdauungstrakts und der Körperperipherie eng gestellt, weil das Blut andernorts nötiger gebraucht wird. Deshalb haben wir bei Angst kalte Hände und Füße.
Atmung
Die Erweiterung der Bronchien und die schnelle Atemfrequenz mit Fokus auf die Einatmung sorgen dafür, dass genug Sauerstoff in die Blutbahn gelangt. Nur mit ihm kann der Körper die Nährstoffe Zucker und Fett effektiv in Energie umsetzen.
Muskulatur
Eine verbesserte Durchblutung sorgt dafür, dass ausreichend Nährstoffe den Muskel erreichen, vor allem in Form von Fetten. Außerdem ist das Erregungsniveau der Muskeln erhöht, wir sind bereit, jeden Augenblick los zu sprinten oder zu kämpfen. Besonders Schultern, Nacken und Rücken sind angespannt. Äußerlich macht sich das oft durch Zittern bemerkbar.
Leber
Zuckerreserven in Form des sogenannten Glykogens werden vermehrt zu Glucose abgebaut. Gleichzeitig wird der Einfachzucker aus Vorstufen neu gebildet. Vor allem das enorm energiehungrige Gehirn ist auf Glucose als schnellen Energielieferanten angewiesen. Bei Angst arbeitet es auf Hochtouren.
Fettgewebe
Aus den Fettspeichern des Körpers werden Fettsäuren freigesetzt und in die Blutbahn abgegeben. Von dort aus gelangen sie in die Muskeln, wo sie in Bewegungsenergie umgesetzt werden.
Magen-Darm-Trakt
Die Verdauungstätigkeit wird heruntergefahren. Das beginnt schon bei den Speicheldrüsen. Dort wird die Speichelproduktion gehemmt, was sich durch einen trockenen Mund bemerkbar macht. Außerdem kann es zu plötzlichem Harn- oder Stuhldrang und Durchfällen kommen. Das liegt daran, dass in Stresssituationen der Einfluss des Sympathikus überwiegt und es zu einem Tonusverlust der Darm- und Blasenmuskulatur führt – die Organe erschlaffen und wir machen uns vor Angst in die Hose.
Augen
Die Pupillen werden größer. Das führt zu einer Erweiterung des Sichtfelds um bis zu 20%. In Gefahrensituationen kann das über Leben und Tod entscheiden.
Haut
Der erhöhte Grundumsatz führt zu einer höheren Körpertemperatur, sodass die nötigen chemischen Reaktionen schneller ablaufen können. Andererseits muss einer Überhitzung vorgebeugt werden. Wir schwitzen, vor allem unter den Achseln, an Stirn und Händen. Studien haben ergeben, dass Angstschweiß außerdem Moleküle enthält, die die Menschen um uns herum unterbewusst in Alarmbereitschaft versetzen.
Geschlechtsorgane
Die Sexualorgane werden schwächer durchblutet. Die Produktion von Geschlechtshormonen ist eingeschränkt. Somit werden beim Mann weniger Spermien produziert und der Zyklus der Frau kann bei längeren Stresssituationen komplett unterbrochen werden. Auch sexuelle Reize lassen uns kalt, wenn wir Angst haben, denn erste Priorität hat jetzt das Überleben, nicht die Fortpflanzung.
Immunsystem
Bei akuter Gefahr droht oft eine Verletzung, etwa eine Wunde durch einen Schlangenbiss. Dann wimmelt es im Blut nur so vor Abwehrzellen. Vor allem natürliche Killerzellen, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, sollen Krankheitserreger schnell unschädlich machen. Aber schon nach etwa einer Stunde wird das Immunsystem heruntergefahren, um Entzündungsreaktionen zu dämpfen. Diese durch das Stresshormon Kortisol vermittelte Unterdrückung des Immunsystems ist es auch, wegen der dauergestresste Menschen ein höheres Risiko für bestimmte Erkrankungen haben.
Schmerzen
Das Gehirn schüttet schmerzhemmende Stoffe aus, die sogenannten Endorphine. In der akuten Stressreaktion machen sie uns unempfindlich gegenüber Schmerzen. Wenn uns ein wildes Tier gebissen hat und wir in Todesangst fliehen müssen, würde Schmerz nur stören. Er wird uns erst bewusst, wenn wir in Sicherheit sind und der Adrenalinspiegel – und somit auch die Endorphinkonzentration – wieder sinkt.